Yeeehhaaaaaaaa, das ULF hat aus!

 

Based on a True Story

Lesezeit: 2 min

Heute Mittag passiert. Live und in Farbe.

Bei mir neben dem Büro ist das ULF. Meistens, so um 13.10 Uhr ist Schulschluß und dann kommen bei mir eine ganze Horde an “ULFen” vorbei. Zu Fuß, auf ihren Hollandrädern, meistens in Gruppen, manchmal alleine … und alle sehen so ziemlich gleich aus. Ich kann sie leider nicht unterscheiden, ist ja aber auch nicht wichtig. Muss ich ja aber auch gar nicht können. Ich bin ja nicht ihr Vater.

Jedenfalls gucken die immer mal wieder beim Vorbeilaufen nach unten in mein Schaufenster und entdecken den Hund. Dann geht meistens ein verzückt kreischendes “Aaawwwwwwww” durch die Runde. Pünktlich wie die Maurer. Da kannste die Uhr nach stellen.


Es ist also mal wieder mal 13.10 Uhr.


Es ist wohl schon etwas Besonderes, wenn man auf diesem Gymnasium ist (oder war). Zumindest weht diesen Schülerinnen immer ein gewisser Ruf voraus, etwas Charmantes, vielleicht auch ein bisschen Elitäres, aber immer etwas Besonderes.

Ich war selbst nicht dort zur Schule, weil erstens komme ich aus der Nähe von Oldenburg und zweitens ist das ULF → ein Mädchengymnasium.

Aber Anja war dort und hat ihr Abitur gemacht. Ich weiß noch, letztes oder vorletztes Jahr sie kam sie von einem Ehemaligen-Treffen zurück und war total begeistert, dass so viele da waren. Mehr als vermutet. Man ist halt eine ULFe, das ist was Besonderes, da ist man stolz drauf und das zeigt man auch nach außen. Und wenn Jahrzehnte später ein Treffen angeboten wird, dann geht man da gerne hin. Das Zusammengehörigkeitsgefühl ist großartig.

Selbst ich, der nie auf dieser Schule war, kennt ein paar legendäre Geschichten. “Gerds Saftladen” ist so eine davon. Das muss wohl eine echte Institution gewesen, dieser Kiosk. Ich habe Bilder vor Augen, genau dann jedesmal, wenn der Hausmeister, Gerd Halbritter, mit hektischem Schritt an meinem Büro vorbeigeht und freundlich reinwinkt.


Soweit so gut.


Heute Mittag musste ich ganz kurz die Stadt, da gingen ein paar ULFen neben und vor mir her. Da passierte es, dass ein junger Motorradfahrer entgegenkam. Die ältere Generation würde dazu sagen: Halbstarker.

Es war keine große Maschine, nur eine 125er, ziemlich mickrig motorisiert. Aber sie sah aus wie eine Große und machte auch Krach wie ne Große.

Kurze Blicke, die sich trafen. Also Mädchengruppe und Halbstarker, meine ich. Ich war nur Beobachter der Situation. Der Typ zieht ruckartig am Lenker und gibt mächtig Gas. Er legt einen Wheelie bis zur nächsten Kreuzung hin, der sich mal gewaschen hat. Zumindest in der Leistungsklasse der 125er Zwiebacksägen.


Moment mal, ich hab da mal ne Frage.



Ich bin dann mal zwei Schritte schneller gegangen und hab die Mädchen dann einfach mal freundlich gefragt: “Entschuldigung, darf ich euch mal was fragen?” Etwas verwundert reagierten sie auf meine Ansprache.

“Beeindruckt euch das, was der da gerade gemacht hat?”

Ok, die drei waren tatsächlich ein bisschen verdattert, war ja auch ne seltsame Frage von mir, zugegebenermaßen. Aber als Antwort kam dann prompt: “Nee, absolut nicht.”

Ich hakte weiter nach: “Aber warum macht der das dann überhaupt? Ich meine, der spürt doch, dass man euch damit eher abschreckt, oder nicht? Was will der denn damit erreichen?”

“Ich hab da eher Angst bei!” sagte einer der ULFen. “Und weiter?” fragte ich nach. Und dann kam etwas, worüber ich echt nochmal nachdenken musste: “Naja, für mich ist das nix, aber man spricht dann doch irgendwie drüber.”

Ehm, what? Seriously?



“Also da fährt so eine Krawallbüchse an Dir vorbei, Du findest es ernsthaft doof und trotzdem redet ihr drüber?”

Ja, das tun wir.

Ja, tatsächlich, ich hätte es nicht gedacht, aber man redet über die. Die sind also tatsächlich Gesprächsthema. Die ganzen Krawallbüchsen.

Also genauso wie über die mit den ganzen tiefergelegten AMG’s, die hier in der 20er Zone Ampelstarts machen. Oder über die, die 15x um den Block fahren. Oder über die, die am Sonntag permanent die Große Straße vorm Eiscafé rauf und runter fahren. “Schön kölpen,” heet dat hier.

Ok, lessons learned.

Das bedeutet für mich doch im Umkehrschluß: Wenn Du willst, dass man über dich spricht, musst Du einfach einfach wie ein Wahnsinniger Gas geben. Und Risikobereitschaft zeigen. Und anscheinend solltest du dicke Eier mitbringen und mächtig auf die Sahne hauen, wenn Du gesehen werden willst.

Nur eben mit dem feinen Unterschied, dass man sich auch an tatsächlich Dich erinnern sollte.

Du entscheidest.

Was Du tust, wie Du es tust und ob Du in positiver oder nicht so schöner Erinnerung bleiben willst, entscheidest Du selbst.

Ich bin wieder zurück im Büro. Ein paar Minuten später hält mein Kumpel mit seinem blauen BMW auf dem Bürgersteig. Ein freundschaftliches “Hey”, ich springe rein, wir fahren zusammen zum Mittagessen.

Auf Höhe vom Pferd fängt er fürchterlich an zu futern “Das war ja klar, alle drei aufm Hollandrad, gleicher Zopf, alle drei schön breit nebeneinander, null Handzeichen beim Abbiegen, typisch ULFen”. Ich ertappe mich, wie ich dann doch ein kleines bisschen grinsen muss.

Sonnige Grüße

Jens